Was ist die Taufe? Ist sie notwendig? Bewirkt sie irgendwas? Wer darf sie empfangen – wann und wie?
Das sind nur einige der Fragen, die meine Studierenden mit in den Unterricht bringen. Ich lehre Theologie im „Bible Belt“, im tief konservativen West-Texas. Die meisten meiner Studierenden würden sich bei einer Umfrage als „Christen“ bezeichnen, und ihre Prägung ist in der Regel „überkonfessionell“ (non-denominational): freikirchlich, sola scriptura, ohne Liturgie oder kirchliche Hierarchien, ohne Bekenntnisse oder Rituale. Christsein bedeutet für sie: an Gott glauben, Jesus als Retter vertrauen und ihm so gut es geht zu folgen. Für die Engagierteren unter ihnen gehören dazu Gebetsgewohnheiten, das persönliche Bibellesen und der Gottesdienstbesuch am Sonntagmorgen.
Die Taufe spielt in diesem Bild nur eine Nebenrolle. Und doch steht sie im Zentrum des christlichen Lebens: von Jesus geboten, von den Aposteln gelehrt, und von Kirchenvätern geehrt, praktiziert und theologisch durchdacht. Ich nenne zum einen Augustinus von Hippo und Kyrill von Jerusalem, aber auch die Reformatoren Martin Luther und Johannes Calvin. Warum steht also die Taufe so weit unten auf der geistlichen Prioritätenliste dieser jungen Christen? Ich habe beobachtet, dass meine Studierende in der Regel drei grundlegende Annahmen miteinander teilen.
Zunächst verstehen meine Studierenden die Taufe als rein symbolisch. Sie bewirkt nichts. Es „geschieht“ nichts. Im Blick auf Gottes Handeln oder Gegenwart unterscheidet sie sich für meine Studierenden nicht von irgendeiner anderen geistlichen Übung. Gleichzeitig wird die Taufe als subjektives Erlebnis von ihnen idealisiert. Auch wenn Gott ihre Sünden nicht „in der Tat“ abwäscht, hoffen sie doch aufrichtig, dabei etwas zu fühlen. Wie bei Hochzeiten, bei denen das Eheversprechen vom Brautpaar selbst verfasst wird, wird auch die Taufe sorgfältig inszeniert, individualisiert und dokumentiert.
Zweitens ist die Taufe für meine Studierenden – sofern sie sich überhaupt darum kümmern, getauft zu werden – im Kern ein individueller Akt. Sie wird weder gemeinschaftlich noch ekklesiologisch verstanden. Es ist unwahrscheinlich, dass sie von einer Pastorin oder einem Pastor vollzogen wird. Es ist ebenso unwahrscheinlich, dass sie in einem Gottesdienst oder in der Gemeinde stattfindet. Vor allem aber ist die Taufe für sie etwas Aktives, nichts Passives; sie ist etwas, das man selbst tut – nicht etwas, das einem geschieht. In diesem Sinne ist sie ein „Werk“. Der Akteur in diesem Geschehen ist das eigene Ich; falls Gott überhaupt eine Rolle in diesem Drama spielt, dann handelt er zuvor, hinter der Bühne – vermutlich in Verbindung mit einem klassischen Übergabegebet.
Drittens und letztens setzen meine Studierenden voraus, dass die Taufe sich um Entscheidung dreht. Als ein „Werk“, das man vor anderen vollzieht, ist die Taufe für sie ein öffentliches Zeichen der Wahl, die sie getroffen haben, pro Christi zu sein. Sie ist ihr ungeteiltes, unmissverständliches Ja zum Herrn. Daraus ergibt sich, dass die Taufe nur denen vorbehalten ist, die in der Lage sind, eine solche Entscheidung zu treffen. Deshalb können Neugeborene nicht getauft werden – auch wenn in den letzten Jahren viele dieser Gemeinden das Taufalter immer weiter nach unten verschoben haben, ohne diese Veränderung zu erklären.
Es überrascht daher nicht, dass unter meinen Studierenden sowohl das Ausbleiben der Taufe als auch „Wiedertaufen“ recht häufig vorkommen. Letztere geschehen mitunter, weil manche beim ersten Mal es nicht „gefühlt“ haben—vielleicht, befürchten sie, hat die Taufe nicht „gesessen“. Andere wiederum kommen in ihren Zwanzigern zu dem Schluss, dass sie zehn Jahre zuvor noch nicht die nötige Reife oder Einsicht hatten, um sich wirklich für Christus zu entscheiden.
Für wieder andere ist die Taufe weniger eine geistliche Hochzeit, die einmal zu vollziehen ist, als eine Art Gelübdeerneuerungszeremonie, die beliebig oft wiederholt werden kann. Und sowohl die Ungetauften als auch jene, die sich mehrfach taufen lassen, betrachten die Taufe ohnehin als einen Bonus neben den eigentlichen Voraussetzungen. Es ist gut, das zu machen, na klar, aber wenig mehr als das. Aus der Perspektive der Studierende war selbst das erste Mal eher wie eine Gelübdeerneuerung.
Von der Taufe reden
Es bricht mir das Herz, wenn ich diese Geschichten höre. Natürlich weiß ich, dass Christen in Bezug auf die Taufe unterschiedlicher Meinung sind. Aber selbst Traditionen mit einer „niedrigen“ [low] Auffassung von der Taufe – diejenigen, die sie als Ritus und nicht als Sakrament verstehen – können mit diesem kläglichen Zustand nicht zufrieden sein. Die Baptisten haben ihren Namen nicht dadurch bekommen, dass sie die Taufe auf die leichte Schulter genommen haben.
Fast die gesamte Kirchengeschichte hindurch galt es für die meisten christlichen Traditionen als selbstverständlich, dass die Taufe ein für alle Mal geschieht und nie wiederholt werden darf; dass sie ein heiliges Mysterium ist, das von Christus eingesetzt und für alle geboten wurde; dass in ihr und durch sie der Geist Gottes wirkt; und dass durch sie die Gnade Gottes vermittelt und das Evangelium Christi verkündet wird.
Eine überwältigende Mehrheit der Christen hält auch heute noch an dieser Ansicht fest, ob lutherisch oder orthodox, anglikanisch oder katholisch, methodistisch, presbyterianisch oder in den Gemeinden Christi. Selbst Anabaptisten (wörtlich „Wiedertäufer“, eine Bezeichnung, die zuerst von ihren Gegnern verwendet wurde) verstanden sich selbst nicht als welche, die eine frühere Taufe wiederholt haben, die nicht richtig „gefühlt“ wurde, sondern als Vollstrecker der ersten gültigen Taufe, die die betreffende Person nun empfangen hatte. Und sie nahmen die Taufe so ernst, dass sie bereit waren, dafür zu sterben.
Gott sei Dank, dass wir unsere Mitchristen heute nicht mehr wegen der Taufe verbrennen oder ertränken. Tatsächlich fühlt es sich fast wie die Verletzung eines Waffenstillstands an, wenn man heute über die Taufe spricht – über richtige Lehre und Praxis und damit auch über Irrlehre. Unser derzeitiger ökumenischer Friede ist teuer erkauft und zerbrechlich. Warum also dieses Gleichgewicht stören?
Meine Antwort ist einfach: Die Wahrheit zählt, die Taufe zählt, und zu viele Gemeinden gehen mit der Taufe auf eine Weise um, die nachlässig, gefühlsgetrieben und entwertend ist – so, wie sie mir immer wieder im Klassenzimmer begegnet. Lasst uns deshalb tatsächlich darüber reden, was die Taufe ist, was sie nicht ist, und was Schrift und Tradition über sie lehren.
Ich lege meine Karten auf den Tisch: Ich vertrete ein absolutes, kompromissloses Verständnis der Taufe. Sie ist ein sichtbares Wort des Evangeliums. Sie ist ein Mittel der Gnade. Sie ist ein wirksames Zeichen. Durch die Kraft des Wortes Gottes und seines Geists tut die Taufe das, was sie sagt: Sie wäscht dich rein. Sie gibt dir Christus. Sie gibt dir seinen Geist. Sie gibt dir seine rettende Gnade. „Die Taufe“, so sagt es der Apostel Petrus in aller Kürze, „rettet euch“ (1 Petr 3,21, RSV).
Um dem gängigsten Einwand zuvorzukommen: Nein, Gott braucht kein Wasser, um dich oder irgendjemand anderen zu retten – auch nicht den Dieb am Kreuz (Lk 23,39–43). Aber das liegt daran, dass Gott Gott ist: Er kann retten, wie, wann, und wo er will. Dieses souveräne Vorrecht Gottes ist jedoch zu unterscheiden von den gewöhnlichen Mitteln, durch die er beschlossen hat, uns zu retten – und die er selbst durch Jesus und seine Apostel eingesetzt hat. Gott hätte Israel zum Beispiel sicher auch ohne das Rote Meer retten können. Aber gerade auf diese Weise wollte er sie retten – indem er das Wasser teilte und sie auf trockenem Boden hindurchführte.
So wie Mose einst Gottes Volk durch das Wasser aus der Knechtschaft des Pharaos führte, so befreit Jesus uns durch dasselbe Wasser aus der Knechtschaft der Sünde.
Das ist es, was die Taufe so besonders macht. Sie bringt alles Wesentliche im Evangelium zusammen: Vater, Sohn und Geist; Gnade, Adoption und Vergebung; Leben, Tod und Auferstehung; Einheit, Ehe und Glaube; Israel, Kirche und Erwählung. Die Taufe ist wie das Zentrum der Sanduhr – all die guten Gaben, die Gott uns schenken will, fließen durch diesen einen Punkt, bevor sie sich erneut in der Fülle unseres Lebens ausbreiten.
Wie ist das möglich? „Bei den Menschen ist es unmöglich, aber nicht bei Gott! Denn bei Gott sind alle Dinge möglich“ (Mk 10,27 Schl.). So ist es mit dem Wunder der Gnade im Geheimnis der Taufe.
Ich möchte dieses Geheimnis so gut ich kann in diesem kurzen Rahmen entfalten. Wenn du bereits meiner Meinung bist – klasse. Diese Wahrheiten kann man nicht oft genug wiederholen. Wenn du meiner Taufauffassung skeptisch gegenüberstehst, bitte ich um Geduld und zurückhaltendes Urteil. Hör mir zu und warte ab, was du am Ende denkst. Was zählt, ist die Wahrheit. Wenigstens hoffe ich, dass wir uns darin einig sind, dass meine Studierenden etwas Besseres, Reicheres und Volleres verdienen als das, was ihnen bisher angeboten wurde. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, sage ich ihnen Folgendes:
Adoption durch einen himmlischen Vater
Fangen wir mit einer beliebten Redensart an: „Alle Menschen sind Kinder Gottes.“ Ich habe sie gleichermaßen von Pastoren wie von Politikern gehört. Stimmt sie?
Nein, das tut sie nicht. Jeder ist von Gott geschaffen und ist sein geliebtes Geschöpf. Außerdem trägt jeder von der Empfängnis bis zum Tod das Ebenbild Gottes. Das gilt unabhängig davon, ob jemand jemals den Namen Jesu gehört hat, und nichts kann es aufheben.
Aber wir werden nicht als Kinder Gottes geboren. Die Geburt macht uns menschlich, nicht göttlich. Wir haben Mütter und Väter und einen Schöpfer im Himmel, aber (noch) keinen himmlischen Vater. Darum nennt die Schrift Jesus den „einzigen“ Sohn Gottes (Joh 1,14.18; 3,16.18; 1 Joh 4,9). Sein Status ist einzigartig.
Das Evangelium ist die gute Nachricht, dass du und ich Kinder Gottes werden können. Wir können das Geschenk der göttlichen Vaterschaft empfangen. Und das ergibt Sinn: Wie könnte es gute Nachricht sein – oder überhaupt eine Nachricht –, wenn Gott bereits unser Vater wäre?
Das Johannesevangelium sagt es so: Das ewige Wort kam in die Welt, aber wurde nicht als das erkannt, was es war (Joh 1,1–11). „Allen aber, die ihn aufnahmen, die an seinen Namen glaubten, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden; die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen eines Mannes, sondern aus Gott geboren sind“ (Vv. 12–13). Wir werden nicht als Kinder Gottes geboren; vielmehr wurde Gott Mensch, um uns die Kraft zu geben, seine Kinder zu werden. Das ist der Sinn und die Wirkung der Menschwerdung.
Die Vorstellung eines Wechsels der Elternschaft ist uns nicht fremd. Man nennt sie Adoption, und für Paulus fasst dieses eine Wort das Werk Christi für uns zusammen (Röm 8,15.23; Gal 4,5). Durch Jesus, den ewigen Sohn Gottes, kann jeder Mensch auf Erden die Gnade empfangen, seine Brüder und Schwestern zu werden und somit Söhne und Töchter des Allmächtigen.
Aber wie? Diese Frage stellt Nikodemus an Jesus (Joh 3,4). Und Jesus gibt eine direkte Antwort: „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Ohne aus Wasser und Geist geboren zu sein, kann ein Mensch nicht in das Reich Gottes eingehen“ (V. 5). Kurz gesagt: Geistliche Wiedergeburt geschieht durch die Taufe.
In Jesu eigener Taufe durch Johannes sehen wir Wasser, Geist und Sohnschaft miteinander verbunden. Wir selbst lassen uns nicht nur aus Gehorsam gegenüber Jesus taufen, sondern auch in Nachahmung seines Beispiels. Während die Taufe für uns der Moment unserer Adoption durch Gott ist, war Jesus bereits Gottes Sohn. Er ordnete sich der Taufe unter, um das Wasser für alle Zeit zu heiligen, das anderen seinen Rang verleihen würde. Jede spätere Taufe ist daher Teilhabe an seiner Taufe, eine Wiederholung der Szene am Jordan. Gott sagt von uns aufs Neue, was die Menschenmenge damals hörte: „Du bist mein geliebtes Kind; an dir habe ich Wohlgefallen“ (Lk 3,22; Übersetzung des Autors).
Die vielen Gaben der Taufe
Die Annahme in Gottes Familie ist nur eine unter vielen Gaben der Taufe. Durch dieses wunderbare Sakrament schenkt Gott uns mehr Gaben, als ich hier nennen kann, aber ich will sechs nennen.
Erstens die Gabe des Heiligen Geistes. Wenn wir getauft werden, gesellen wir uns nicht nur zu Jesus im Jordan, sondern auch zu den Zwölf im Obergemach (Apg 2,1–13). Jede Taufe ist ein persönliches Pfingsten. Wie der Geist auf Jesus im Fluss und auf seine Nachfolger beim Volksfest herabkam, so kommt er auch auf uns.
Zweitens die Gabe der Vereinigung mit Christus. In der Taufe wird das, was sein ist, zu unserem; was unser war, nimmt er in sich auf und löscht es aus (2 Kor 8,9). Was er seiner Natur nach ist, werden wir durch Gnade – nicht nur Kinder Gottes, sondern auch Könige, Priester, Propheten, Weise; heilig, gerecht, treu, unsterblich; glücklich, gesegnet, geistlich, ewig. Mit einem Wort: Er gibt uns sein eigenes Leben, unzerstörbar und unerschöpflich, weil es das Leben Gottes ist (Gal 2,20; Kol 3,1–4; 1 Joh 5,11–12).
Doch nicht ohne drittens: die Gabe des Todes. Wie Paulus schreibt:
Wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind? Wir sind also mit ihm begraben worden durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, auch wir in einem neuen Leben wandeln. Denn wenn wir mit ihm eins gemacht worden sind in einem Tod wie dem seinen, werden wir gewiss auch mit ihm in einer Auferstehung wie der seinen verbunden sein. (Röm 6,3–5)
Die Taufe ertränkt das alte Selbst – das Fleisch, das durch Sünde und Tod gebunden ist. Wir steigen aus dem Wasser neugeboren empor, befreit von der Knechtschaft der alten Tyrannen, die uns versklavt hatten. „Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden“ (2 Kor 5,17).
Viertens die Gabe der Adoption. Wiederhole ich mich? Nein – ich spreche von einer anderen Adoption: nicht durch Gott, sondern durch Abraham. Die Taufe fügt uns Gottes erwähltem Volk hinzu. Alle Verheißungen Gottes sind in Christus „Ja“ und „Amen“ (2 Kor 1,20), denn er ist der Nachkomme Abrahams (Gal 3,16). Niemand kann Abrahams Sohn (Mt 1,1) haben, ohne Abraham selbst zu haben – oder Abrahams Gott ohne Abrahams Familie. Außerhalb dieser Familie sind Heiden ohne Hoffnung und ohne Gott (Eph 2,12). Wir, die Heiden sind, empfangen also in der Taufe eine doppelte Annahme. Wie Paulus schreibt:
Denn in Christus Jesus seid ihr alle durch den Glauben Söhne Gottes. Denn alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. Da ist weder Jude noch Grieche, da ist weder Sklave noch Freier, da ist weder Mann noch Frau; denn ihr seid alle einer in Christus Jesus. Wenn ihr aber Christus angehört, dann seid ihr Abrahams Nachkommenschaft, Erben gemäß der Verheißung. (Gal 3,26–29)
Fünftens die Gabe der Zugehörigkeit. Die Taufe ist nicht nur vertikal; sie ist auch horizontal. Die Taufe fügt uns der Kirche hinzu, die der Leib Christi ist: „Denn wie der Leib einer ist und doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obwohl viele, ein Leib sind, so auch Christus. Denn in einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden – seien es Juden oder Griechen, Sklaven oder Freie – und wir sind alle mit einem Geist getränkt worden“ (1 Kor 12,12–13). Deshalb zählt Paulus in seiner bekannten Aussage zur Einheit der Christen „eine Taufe“ neben „einen Herrn“ und „einen Glauben“ auf (Eph 4,4–6).
Schließlich die Gabe der Ehe. Die Bindung, die die Taufe in uns wirkt, ist nicht nur kindlich – zwischen Vater und Kindern. Sie ist ehelich – zwischen Bräutigam und Braut. Unser öffentliches Glaubensbekenntnis ist wie das Gelübde, das wir am Altar ablegen; dementsprechend ist die Taufe der Vollzug der Ehe. Denn eine unvollzogene Ehe ist ungültig; in gewissem Sinn ist der Glaube ohne Taufe ebenso unvollständig. Die Taufe ist die Vollendung des Glaubens, weil sie die Vereinigung von Braut (der Seele) und Bräutigam (Christus) besiegelt.
Falls das nach Überdehnung eines Bildes klingt, erinnere dich an Paulus: „Oder wisst ihr nicht, dass, wer sich an eine [Frau] bindet, ein Leib mit ihr ist? Denn es wird gesagt: ‚Die zwei werden ein Fleisch sein.‘ Wer aber dem Herrn anhängt, ist ein Geist mit ihm“ (1 Kor 6,16–17). Offenbar ist die einzige Intimität, die mit der geistlichen Vereinigung zwischen einem Gläubigen und Christus vergleichbar ist, die leibliche Vereinigung zwischen Ehemann und Ehefrau – und die erstere übertrifft die letztere, indem sie sie erfüllt. An anderer Stelle schreibt Paulus: „Dies Geheimnis ist groß; und ich deute es auf Christus und die Gemeinde“ (Eph 5,32).
Die Gaben des Bräutigams reichen weit über diese bescheidene Liste hinaus. Kyrill von Jerusalem zum Beispiel sagt, dass die Taufe „dir Amnestie für deine vergangenen Sünden gewährt, dich in die Kirche einpflanzt und dich in seine Armee einreiht, indem sie dir die Waffenrüstung der Gerechtigkeit anlegt“. Sie ist mehr als ein geistliches Bad, das die Seele reinwäscht. Typen und Vorbilder der Taufe durchziehen das Alte Testament: Sie ist das Urwasser der Schöpfung, gebändigt vom Schöpfer (Gen 1,1–2); sie ist das Rote Meer, durch das Gottes Volk aus der Knechtschaft befreit wird (Ex 14,1–15,21); sie ist der Jordan, in dem der Heide Naaman durch den Gott Israels gereinigt wird (2 Kön 5,1–19).
Die Taufe tut, was sonst nichts tun kann. Wie Martin Luther sagte, werden wir durch die Taufe „heilig gemacht und gerettet, was kein anderer Lebensstand, kein Werk auf Erden vermag“. Alle Verheißungen Gottes kommen hier zusammen, im Wasser der Gnade.
Die gute Nachricht der Taufe
Vielleicht habe ich dich vom Sinn, den Gaben und sogar der Notwendigkeit der Taufe überzeugt – aber noch nicht von ihrer inneren Logik: davon, was sie zu einem wesentlichen Bestandteil der guten Nachricht macht, und nicht bloß zu einem weiteren Punkt auf einer Checkliste, den man abhakt, nachdem Gott das Eigentliche „hinter den Kulissen“ schon getan hat. Anders ausgedrückt: Warum gebot Jesus seinen Aposteln, Jünger aus allen Nationen zu machen, nicht nur durch das „Lehren“, sondern auch durchs „Taufen“ (Mt 28,19–20) – oder, wie es die spätere Tradition formulierte: durch „Wort und Sakrament“ gemeinsam?
Hier ist eine Art und Weise die Logik zusammenzufassen: Die gute Nachricht der Taufe ist ihr objektiver, faktischer Charakter. Das ist der Grund, warum Luther die Taufe so hoch schätzte. Wenn er vom Teufel geplagt wurde, konnte er sich nicht auf seinen Glauben verlassen – denn gerade der stand ja unter Beschuss: Wenn du dir deines Glaubens nicht sicher bist, ist der Glaube kein Trost. Aber Luther konnte immer auf seine Taufe verweisen – als geschichtliche Tatsache. Es heißt, er habe dem Satan entgegnet: Baptizatus sum (Ich bin getauft).
Luthers Beispiel lässt uns die Tiefe der Barmherzigkeit Gottes für uns erkennen. In der Taufe hat Gott uns einen greifbaren, geschichtlichen Moment gegeben, auf den wir uns mit voller Zuversicht berufen können – selbst in Zeiten des Zweifels und der Angst. Dort und damals begegnete Christus uns im Wasser.
Diese Zuversicht ist möglich, weil die Taufe – anders als etwa das Zehntengeben – kein menschliches Werk ist, das wir vollbringen. Sie ist ein göttliches Geschenk, das wir empfangen. Wir sind nicht die Handelnden in der Taufe; Gott schon. Wir „vollziehen“ die Taufe nicht; die Taufe wird an uns vollzogen. Achte auf die Formulierung: Man wird getauft. Das grammatische Passiv ist zugleich ein theologisches. Ich kann mich nicht selbst taufen; ich brauche einen anderen, der es für mich tut.
Und wie der Tod Christi am Kreuz ist auch die Taufe ein für alle Mal – nicht zu wiederholen. In diesem Sinne ist „Wiedertaufe“ ein Widerspruch in sich, denn die Taufe – das Waschen mit Wasser im Namen des dreieinigen Gottes – „wirkt“ immer. Jede „Wiederholung“ ist nichts mehr als ein Bad. Uns ist bereits maximal vergeben. Wir sind schon maximal erlöst – ein für alle Mal, für immer.
Das ist die erstaunliche, wunderbare, unglaublich gute Nachricht der Taufe. Darum verkörpert die Taufe das Evangelium. Gnade ist skandalös. Sie gibt uns, was wir nicht verdienen, was wir nie hätten erwarten dürfen. Sie vergibt Dieben, Lügnern, Ehebrechern und Mördern. Sie vergibt mir. Sie vergibt dir.
Der lebendige Christus gewährt diese Vergebung durch die Taufe, denn sie trägt sein wirksames Wort und damit Gottes Kraft zu retten, seine Gnade für Sünder und seinen Willen zu vergeben. Wie Kyrill im vierten Jahrhundert Katechumenen auf die Taufe vorbereitete: „Achte nicht auf die Lippen dessen, der spricht, sondern auf Gott, der handelt.“
Die Taufe handelt davon, was Gott getan hat, tun kann und tun wird pro me („für mich“). Sie handelt nicht von meinem Ja zu Gott, das schwach oder schwankend sein mag und in jedem Alter sicher an Reife und Erkenntnis gleichermaßen mangelt. Genau deshalb lasse ich mich ja überhaupt taufen – aufgrund meines Mangels, meines Bedarfs. Stattdessen handelt es sich bei der Taufe letztlich um Gottes Ja zu mir. Die Taufe ist Ausdruck seiner unergründlichen Liebe zu gottlosen Rebellen – sichtbar gemacht durch das demütigste und gewöhnlichste aller Elemente: Wasser.
Mit den Worten des Paulus (2 Kor 9,15): „Dank sei Gott für seine unaussprechliche Gabe!“
Brad East ist außerordentlicher Professor für Theologie an der Abilene Christian University. Er ist Autor von vier Büchern, darunter The Church: A Guide to the People of God und Letters to a Future Saint.
Die deutsche Übersetzung ist von Christopher Pieper.